Warum kann ich nicht weinen obwohl ich traurig bin?

Es kommt häufig vor, dass wir nach dem Verlust eines lieben Menschen am Grab stehen, und uns die Augen aus dem Kopf weinen. Manchmal fällt uns gerade an diesem Ort des Abschiednehmens auf, dass gerade die Person, die dem Verstorbenem am nächsten stand, mit versteinertem Gesicht die Zeremonie verfolgt. Ist dieser Mensch gar nicht traurig, oder fragt er sich auch „Warum kann ich nicht weinen“?

Können manche Menschen keine Gefühle zeigen? Oder wollen sie die Traurigkeit eines Moments mit so viel Würde wie möglich überstehen? Schämen sich Menschen ihrer Tränen? All diese Fragen können nicht so einfach beantwortet werden. Die Details spielen bei dem Versuch zu antworten eine große Rolle. Fakt ist:

1.) Manchmal bleiben die Tränen einfach aus.
2.) Tränen sind notwendig, um den Schmerz zu verarbeiten.
3.) Weinen sollte immer erlaubt sein!
4.) Muss Weinen gelernt sein?
5.) Wenn der Schmerz Menschen in die Knie zwingt

Weinen als Ausdruck der Gefühle und Befreiung, Copyright: Sam Wordley, bigstockphoto

Du bist traurig, doch die Tränen wollen nicht kommen.

Alles in dir schreit nach einem Verlust, wie etwa dem Tod eines Freundes oder einer Trennung. Deine Gedanken drehen sich im Kreis und du kannst den Schmerz fast körperlich spüren. Trotz der Trauer bleiben die Tränen jedoch aus. Es gibt Personen, die an so einer Situation verzweifeln, weil sie ihrer Traurigkeit nicht freien Lauf lassen können. Zudem werden sie von anderen noch vorverurteilt, als gefühlskalt und herzlos bezeichnet, nur weil das Weinen ausbleibt. Am liebsten würden sie sich in eine Ecke verkriechen und die Welt aussperren.

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  • Cremer, Samuel (Autor)

Tränen lügen nicht

Gerade deshalb wartet die Gesellschaft nach einem Drama auf die Tränen des Trauernden. Es ist ein bisschen wie ein Beweis für die innere Gefühlswelt, die nach außen gezeigt werden soll. Wenn du dich fragst „warum kann ich nicht weinen“, dann solltest du tief in dich hinein hören.

Das Weinen verschwindet nicht einfach nur so, sondern es gibt Gründe dafür. Meist ist es der erste Schock, den es zu überwinden gilt, bevor die Tränen anfangen zu fließen. Besonders nach Todesfällen sind Menschen schockiert und erstarren, die Kälte, die sie tief in sich tragen, ist für deren Umwelt nicht sichtbar. Und gerade diese Kälte quält den Betroffenen ganz besonders.

Mit der Trauer nicht hausieren gehen

In früheren Generationen wurde gerne gesagt, dass persönliche Schicksalsschläge nicht an die Öffentlichkeit getragen werden sollten. Manche Familien wollten sich nicht zur Schau stellen, wenn das Bild der glücklichen Tage verblasste, weil sich ein Verlust eingestellt hatte. Daher sagten sie schon zu ihren Kindern, dass es falsch wäre, vor allen Leuten zu weinen.

Bekannter ist der Umstand, dass Jungs von den Eltern gesagt bekommen, Männer würden nicht weinen. So baut sich im Laufe der Jahre eine Mauer auf, deren Aufrechterhaltung höchste Konzentration und einen eisernen Willen braucht. Auch so eine Mauer verhindert das Weinen, selbst wenn du traurig bist, wie nie zuvor. Dabei sollten Tränen in jedem Fall kein Grund zur Scham sein, denn sie reinigen deine Seele.

Die große Schule des Weinens?

Mach dir keine Sorgen, du musst nicht lernen, wie den Tränen freier Lauf gelassen werden kann. Die Frage, warum kann ich nicht weinen, hat meist zur Antwort, dass du erst zur Ruhe kommen musst. Bis der Knoten platzt, fühlst du den Schmerz tief in dir schon fast körperlich, daher ist es notwendig, dich durch das Weinen zu erleichtern. Sobald die ersten Tränen kullern, kommt der Rest von ganz allein. Belastet dich die Zeit, in der du nicht weinen kannst, zu stark, kannst du ein wenig nachhelfen.

  • Nimm dir bewusst Momente der Ruhe, um dich zu erinnern
  • Versuche, ein paar Tage Urlaub zu bekommen, um diese Ruhe zu ermöglichen
  • Ziehe dich zurück, wenn du dich danach fühlst, und lass deine Familie und Freunde ruhig wissen, weshalb

Die Übermacht des Schmerzes

Es kommt der Moment, in dem alle Dämme brechen. Wenn die Schockstarre nachlässt, und du zur Ruhe kommst, dann ist meist der Augenblick da, an dem du weinen kannst. Obwohl du all die Zeit zuvor ebenfalls traurig warst, kommen die Tränen genau dann, wenn du sie am wenigsten erwartest. Es ist kein Grund, sich zu schämen. Vielmehr fängt nun für dich die Aufarbeitung des Geschehenen an. Die Realität holt dich ein und der Schmerz hüllt dich wie eine schwarze Wolke ein. Die Seele wird sprichwörtlich reingewaschen, damit du wieder in der Lage bist, nach vorne zu sehen.

Ein Sprichwort sagt, dass alles seine Zeit hat. So auch deine Trauer. Frag dich nicht, warum kann ich nicht weinen, sondern lasse den Schmerz zu. Wenn die Zeit gekommen ist, fallen die Tränen von ganz allein.

Autorin und Herausgeberin zu diesem Artikel

Romy Förster

Romy ist Autorin und Mutter zweier Söhne, sie gibt Tipps für den Alltag mit Baby, recherchiert und testet leidenschaftlich gern Babyprodukte und neue Trends. Als Mutter weiß Sie genau welche Kriterien bei Babyausstattung und altersgerechten Spielzeug für Kinder wichtig sind. Autorenseite

Unsere Expertin

Loryn Luh

Loryn Luh ist Mutter dreier Kinder und Hebamme mit eigener Praxis. Sie bringt ihr Wissen als Hebamme, ihre Erfahrung im Kreißsaal und auf der Schwangerenstation, in ihre redaktionelle Mitarbeit ein. Lory arbeitet seit 2022 an den Inhalten unseres Babyratgeber mit.